Impuls zum 24. September 2023
Von Albert Hohmann (Föhren), pax christi Trier
Hoffnungstexte
Zwei Perikopen des Sonntags können wir als Hoffnungstexte lesen.
Jesaja 55 Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken / und eure Wege sind nicht meine Wege
Das Schlusskapitel des Deuterojesaja wendet sich an die im Babylonischen Exil lebenden Israeliten und gibt ihnen die Hoffnung auf die Heimkehr:
6 Sucht den HERRN, er lässt sich finden, / ruft ihn an, er ist nah! 7 Der Frevler soll seinen Weg verlassen, / der Übeltäter seine Pläne. Er kehre um zum HERRN, / damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; / denn er ist groß im Verzeihen. 8 Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken / und eure Wege sind nicht meine Wege - / Spruch des HERRN. 9 So hoch der Himmel über der Erde ist, / so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege / und meine Gedanken über eure Gedanken. 10 Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt / und nicht dorthin zurückkehrt, ohne die Erde zu tränken und sie zum Keimen und Sprossen zu bringen, / dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, 11 so ist es auch mit dem Wort, / das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, / ohne zu bewirken, was ich will, / und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe. 12 In Freude werdet ihr ausziehen / und in Frieden heimgebracht werden. Berge und Hügel brechen vor euch in Jubel aus / und alle Bäume auf dem Feld klatschen in die Hände. 13 Statt Dornen wachsen Zypressen, / statt Brennnesseln Myrten. Das geschieht zum Ruhm des HERRN / zum ewigen Zeichen, das niemals getilgt wird.
In einer Zeit, in der Millionen von Menschen ihre Heimat verlassen haben, wissen wir, was das Leben in der Fremde bedeutet: Hunger, Qualen, Tod, Missachtung, Fremdheit, Verlust der Heimat und damit des grundlegenden Lebensgefühls. Viele Geflüchteten haben sich bis zu ihrem Tod an die Heimat geklammert, indem sie den Schlüssel des Hauses oder etwas Erde von „Zuhause“ verwahrt haben.
Anscheinend sind die Israeliten in Babylon nicht generell massiv unterdrückt worden. Manche konnten sich als Händler betätigen oder waren wie Esra, der bei der Rückkehr aus Babylon eine wichtige Rolle spielt, Beamte. Der Schmerz über die Zerstörung Jerusalems und den Verlust des zentralen Heiligtums, des Tempels auf dem Sion, war dennoch immens.
In zwei Psalmen wird er ausgesprochen:
Psalm 79 5 Wie lange noch, HERR? / Willst du für immer zürnen, wird brennen wie Feuer dein Eifer? 6 Gieße deinen Zorn aus über die Völker, die dich nicht erkennen, und über die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen! 7 Denn sie haben Jakob gefressen und seine Wohnstatt verwüstet. 8 Rechne uns die Schuld der Vorfahren nicht an! / Mit deinem Erbarmen komm uns eilends entgegen! Denn wir sind sehr erniedrigt. 9 Hilf uns, Gott unsres Heils, um der Herrlichkeit deines Namens willen! Reiß uns heraus und vergib uns die Sünden um deines Namens willen!
Psalm 137 1 An den Strömen von Babel, / da saßen wir und wir weinten, wenn wir Zions gedachten. 2 An die Weiden in seiner Mitte hängten wir unsere Leiern. 3 Denn dort verlangten, die uns gefangen hielten, Lieder von uns, / unsere Peiniger forderten Jubel: Singt für uns eines der Lieder Zions! 4 Wie hätten wir singen können die Lieder des HERRN, fern, auf fremder Erde?
Die Exilanten lebten in der Überzeugung, dass das Exil die Folge des Abfalls von ihrem Gott war. Seine Weisungen, seine Tora waren sträflich missachtet worden. So kommt vor der Zusage der Heimkehr die Aufforderung zur Umkehr.
Wer böses Handeln hinter sich lässt und den Herrn sucht, erfährt Erbarmen. Die Wege des Herrn sind hocherhaben über den menschlichen. Schon menschliche Worte wirken im Guten und auch im Bösen, wie in unseren Tagen durch Hass und Hetze. Der Prophet bekennt die weitaus höhere Wirkmacht des göttlichen Wortes.
Im Bild des Segens von Regen und Schnee für die Erde und seine Pflanzen wird die Wirksamkeit des Wortes Gottes angesprochen. Es kehrt nicht leer zurück, sondern wird wirksam. Der priesterliche Schöpfungsbericht, der auch aus der Zeit des Exils stammt, manifestiert die Wirksamkeit des Wortes Gottes indem er immer den Zusammenhang von Gottes Wort und dem Entstehen der Welt benennt (z.B.): „Gott sprach: es werde Licht und es ward Licht“.
Umkehr und Gottsuchen bedeutet letztlich Heimkehr in großer Freude. Der Jubel ergreift die ganze Schöpfung. Berge und Hügel begleiten den freudigen Auszug, Wüstenpflanzen weichen grünen Bäumen und Pflanzen. Die großen Taten Gottes wie der Auszug aus Ägypten und die Schöpfung sind die Basis für die Heimkehr nach Jerusalem. Der folgende Psalm bringt diesen Jubel zum Ausdruck:
Psalm 33
1 Jubelt im HERRN, ihr Gerechten, den Redlichen ziemt der Lobgesang.
2 Preist den HERRN auf der Leier, auf der zehnsaitigen Harfe spielt ihm!
3 Singt ihm ein neues Lied, spielt kunstvoll mit Jubelschall!
4 Denn das Wort des HERRN ist redlich, all sein Tun ist verlässlich.
5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, erfüllt von der Huld des HERRN ist die Erde.
6 Durch das Wort des HERRN wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes.
7 Er sammelt das Wasser des Meeres und dämmt es ein, legt die Fluten in Kammern.
8 Die ganze Erde fürchte den HERRN; vor ihm sollen alle beben, die den Erdkreis bewohnen.
9 Denn er sprach und es geschah; er gebot und da stand es.
10 Der HERR vereitelte den Ratschluss der Nationen, er machte die Pläne der Völker zunichte.
11 Der Ratschluss des HERRN bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens durch alle Geschlechter.
12 Selig die Nation, deren Gott der HERR ist, das Volk, das er sich zum Erbteil erwählt hat.
13 Der HERR blickt herab vom Himmel, er sieht alle Menschen.
14 Von seinem Thronsitz schaut er nieder auf alle Bewohner der Erde.
15 Der ihre Herzen gebildet hat, er achtet auf all ihre Taten.
16 Dem König hilft nicht seine große Stärke, der Held rettet sich nicht durch große Kraft.
17 Trügerische Hilfe ist das Ross, es rettet nicht mit seiner großen Stärke.
18 Siehe, das Auge des HERRN ruht auf denen, die ihn fürchten, die seine Huld erwarten,
19 dass er ihre Seele dem Tod entreiße und, wenn sie hungern, sie am Leben erhalte.
20 Unsre Seele hofft auf den HERRN; er ist unsere Hilfe und unser Schild.
21 Ja, an ihm freut sich unser Herz, wir haben vertraut auf seinen heiligen Namen.
22 Lass deine Huld über uns walten, HERR, wie wir auf dich hofften!
Nicht selten blicken wir resignierend und pessimistisch auf den Zustand unsrer Welt. Kriege, Ausbeutung und Klimazerstörung setzen sich trotz besseren Wissens weiterhin durch. Junge Leute verzweifeln, weil Politik sich nicht wirklich bewegt. Sind wir dennoch fähig, Gott zu suchen und umzukehren? Vertrauen wir seinem Wort? Die Tora und die Bergpredigt geben uns Weisung.
Gewaltlosigkeit kann auch in Zeiten des Krieges gelebt werden. Menschen müssen nicht als Soldaten verheizt werden. Die Erzeugnisse der Erde können solidarisch geteilt werden.
Sprechen und Hören (Nach Huub Oosterhuis)
Wenn du sprechen kannst, kannst du auch hören.
Höre alle, die nach Frieden rufen wie um ein unmögliches Glück.
Höre das Blut, das aus der Erde ruft, dass es umsonst vergossen ist.
Höre die Sprachlosen, mundtot Gemachten, Gefolterten wo denn nicht auf der Welt.
Und alle, die am leben keinen Anteil haben,
die ihre Toten nicht einmal mehr zählen, so viele sind es schon.
Und die Kinder Afrikas, die Frauen Afghanistans, die Söhne der Ukraine und die Flüchtlinge weltweit.
Matthäus 20, 1-16 So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte.
1 Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. 2 Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. 3 Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah andere auf dem Markt stehen, die keine Arbeit hatten. 4 Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. 5 Und sie gingen. Um die sechste und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder hinaus und machte es ebenso. 6 Als er um die elfte Stunde noch einmal hinausging, traf er wieder einige, die dort standen. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig? 7 Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! 8 Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen bei den Letzten, bis hin zu den Ersten! 9 Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. 10 Als dann die Ersten kamen, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten einen Denar. 11 Als sie ihn erhielten, murrten sie über den Gutsherrn 12 und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt. Wir aber haben die Last des Tages und die Hitze ertragen. 13 Da erwiderte er einem von ihnen: Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? 14 Nimm dein Geld und geh! Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir. 15 Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin? 16 So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte.
In der Geschichte vom Gutsbesitzer (der nicht mit Gott verglichen werden sollte; L. Schottroff) werden wirtschaftliche Gegebenheiten der Zeit Jesu deutlich. Arbeiter stehen für Arbeit an, damit sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Wenn sie einen Denar erhalten, reicht das gerade für sie selbst, aber nicht mehr für eine Familie. Sollten sie nicht den ganzen Tag arbeiten, erhalten sie normalerweise weniger. Sie sind arme Schlucker. Wenn diese Letzten im Gleichnis als erste den vollen, wenn auch geringen Lohn erhalten, dann wird die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Die Deutung „So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte“ bringt es auf den Punkt.
Wenn wir in unsere Welt hineinsehen, entdecken wir zahllose Menschen auf den letzten Plätzen: Obdachlose, unheilbare Kranke, illegale und offizielle Flüchtlinge, Soldaten, die in den Tod geschickt werden, Verwundete, Hungernde und Verhungernde, Kinder ohne Lebenschancen, Menschen, die quasi sklavenähnliche Arbeiten ausführen müssen, alleinerziehende Mütter und Väter, alte Menschen mit erbärmlichen Renten…
Jesu Botschaft vom Himmelreich ist ein Wort der Hoffnung. Es sagt all diesen Menschen, dass es so nicht bleiben soll, wie es auch das Magnificat ausspricht.
Magnificat
Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Die Botschaft vom Himmelreich sagt allen Menschen, die Jesus nachfolgen, dass sie zum Zeichen der Hoffnung werden können.
Die suchen (Huub Oosterhuis)
Die suchen, was verloren ist, die bei den Niedergeschlagenen sind,
die mit Leib und Seele, mit ihrem Herzen und Verstand
das ärgste Leid etwas zu lindern suchen. Die offenbaren dich, die sind von dir.
Die nicht wegsehen von einem anderen Menschen in seinem Elend,
die mit ihrem Lebensmut die Verzweifelten aufwiegen; die unbemerkt,
geduldig warten, wachen, beten, entgegen besseren Wissens hoffen.
Die, bedroht von allen Seiten, dennoch nicht aufgeben -
die, dem Tod ausgeliefert dennoch von Tag zu Tag neu geboren werden -
die sind von deinem Geschlecht.